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WARUM PERSÖNLICHE GRENZEN WICHTIG SIND

Manche Grenzen werden mit einem Stock in den Sand gezogen und der nächste starke Regen spült sie davon. Andere dagegen sind durch eine Mauer verstärkt und mit Schützentürmen versehen. Wer diese Grenzen überschreiten will, muss sich auf einen Kampf gefasst machen. Solche Grenzen sind vielleicht die Wichtigsten, die es gibt und wir haben oft viel zu wenig davon.

Es gibt Menschen, die haben ganz klare Grundsätze, nach denen sie leben und damit auch ganz klar definierte Grenzen. Diese Grenzen sind nicht optional, sie sind in Stein gemeißelt und wenn jemand sich der Mauer nähert, wird scharf geschossen. Man kann sicher darüber streiten, wie viele solcher Grenzen sinnvoll sind und wie groß man sie ziehen sollte, aber eines ist sicher: Wir alle brauchen diese Mauer-Grenzen. Denn sie sorgen dafür, dass wir uns nicht selbst verlieren.

SEI RÜCKSICHTSVOLL ZU DIR SELBST

Es gibt nichts Schlimmeres, als es allen recht machen zu wollen. Erstens, weil das gar nicht möglich ist – irgendjemand hat immer irgendetwas auszusetzen und zweitens, wer sich immer nach dem richtet, was andere wollen, der vergisst dabei die eigenen Bedürfnisse. Wer immer nur Rücksicht auf die Gefühle anderer Menschen nimmt, der tritt die eigenen mit Füßen. Manchmal muss man rücksichtsvoll mit sich selbst umgehen – auch auf die Gefahr hin, dass man damit seine Mitmenschen vor den Kopf stößt. Denn immer gefallen wollen führt auf Dauer zu Stress und dieser Stress macht uns irgendwann krank.

Ich glaubte früher einmal, ich hätte klar definierte Grenzen. Fließende ja, aber auch ein paar dieser Mauer-Grenzen, an denen niemand vorbeikommt. Leider musste ich schon als Kind feststellen, dass diese Grenzen in der Theorie schön und gut sind, aber man sie in der Realität oft immer wieder gegen Angriffe verteidigen muss. Das ist sicher auch gut und richtig – immerhin entwickelt man sich ja auch weiter und Prioritäten verändern sich – in meinem Fall war es nur etwas zu viel. Es führte dazu, dass meine Grenzen sich immer mehr zu Linien im Sand entwickelten und ich zunehmend Schwierigkeiten hatte, selbst diese zu ziehen, geschweige denn, sie zu verteidigen.

FEHLENDE GRENZEN MACHEN AUF DAUER KRANK

Warum viele von uns mit dem Ziehen von klaren Grenzen kämpfen, hat vielerlei Gründe. In meinem Fall hat es viel damit zu tun, dass meine Familie schon mal generell ein Problem mit dem Verständnis für die Gefühle anderer und damit leider auch die Rücksicht darauf hat. Was dazu führte, dass persönliche Grenzen regelmäßig ignoriert wurden und Gefühlsäußerungen mit Adjektiven wie „hysterisch“, „theatralisch“ oder „überempfindlich“ bedacht wurden. In meinem Fall führte diese konsequente Kritik an meinen Emotionen zu einer großen Verunsicherung und letztlich der Angst, etwas falsch zu machen oder falsch zu sein. Wenn du mit der Grundeinstellung „ich bin falsch“ durch die Welt rennst, dann wird das Ziehen von Grenzen nur noch schwerer.

Es ist schwer, Grenzen zu ziehen, wenn einem schon von vornherein gesagt wird, dass diese Grenzen eine völlige Überreaktion sind. Doch tatsächlich braucht jeder Mensch Grenzen, die nicht verhandelbar sind. Grenzen, die wir mit Mauern umgeben und Schützentürmen verteidigen. Grenzen, für die wir kämpfen und einstehen, egal wer kommt und versucht, sie einzureißen. Denn diese Grenzen schützen unsere Persönlichkeit, unser Innerstes. Ich habe Jahre, mehrere depressive Episoden, Hunderte von Panikattacken und drei Psychotherapeuten gebraucht, um das zu verstehen.

DAS BEFREIENDE NEIN

Ich musste erst wieder lernen, Grenzen zu ziehen. Ein erster Schritt dorthin ist es, Nein zu sagen. In einer Welt, in der man überall präsent und überall sicht- und/oder hörbar sein soll, gibt es tatsächlich nichts Schöneres, als einfach mal abzuschalten. Am besten fängt man mit kleinen Neins an, und zwar bei Dingen, auf die man eigentlich nie richtig Lust hatte oder nach denen man sich eben heute nicht fühlt, wie z.B.:

  • Nein zur Sammelpizza-Bestellung der Kollegen.
  • Nein zu WhatsApp-Gruppennachrichten (lässt sich einfach über die Einstellungen ausschalten).
  • Nein zu Überstunden.
  • Nein zu einem Treffen, wenn man heute einfach keine Lust hat und den Abend lieber alleine mit den Katzen auf der Couch verbringen will.
  • Nein zu Schuhen mit Absatz.

Diese kleinen Neins bereiten auf die größeren vor. So lernt man nicht nur, wie gut es tut, einfach mal „Nein“ zu sagen, sondern eben auch, dass man es kann. Je öfter man „Nein“ bei unwichtigen Dingen sagt, desto eher hat man auch den Mut, es bei wichtigeren zu tun.

NEIN IST EIN VOLLSTÄNDIGER SATZ

Eine weitere, wichtige Lektion, die ich lernen musste, ist diese: Hör auf, Dich ungefragt zu rechtfertigen. In vielen Fällen führt nämlich erst die Rechtfertigung zu einer Diskussion. Daher habe ich mir antrainiert, erst auf Nachfragen zu warten und nicht gleich mit „Nein, weil…“ zu starten. Denn in vielen Fällen reicht ein Nein schlicht und ergreifend aus. Wenn mein Gegenüber mehr erfahren will, dann wird er/sie nachfragen – und je nach Thema kann ich dann immer noch entscheiden, ob ich eine Erklärung abgeben will oder eben nicht.

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