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Neustart 2022 oder: Ich bin wieder da

Egal ob ADHS, Depression, Angststörung oder andere psychische Erkrankungen/Störungen: Das Verallgemeinern muss aufhören. Deshalb schreibe ich wieder.

Warum etwas schreiben, wenn es ohnehin niemand oder nur sehr wenige Leute lesen? Warum wieder mit etwas beginnen, dass bisher keinen Erfolg hatte? Die Frage habe ich mir im Grunde das ganze letzte Jahr gestellt und eigentlich nur eine Antwort gefunden: Weil es mir besser geht, wenn ich meine Gefühlswelt schriftlich aufarbeite.

2022: Neues Jahr, neues Glück?

Im vergangenen Jahr habe ich genau einen Text veröffentlicht, darin ging es darum, dass ich endlich die Welt verstanden habe, seit ich eine Ursache für meine Depression, aber auch anderweitige Schwierigkeiten kenne: ADHS. Eigentlich wollte ich dann noch weitere Artikel zum Thema ADHS und meiner neuen Gefühlswelt schreiben, aber 2021 war turbulent. Im März fing ich einen neuen Job an, von April bis Juni pendelte ich zwischen meiner alten Wohnung und meiner Zwischenwohnung hin und her und Mitte Juni zog ich dann in meine neue Wohnung.

Neuer Job, neue Stadt, neues Leben?

Umzüge sind die Hölle, das merke ich jedes Mal wenn ich es tun muss und hoffe dabei auch immer, dass dies nun wirklich das letzte Mal war. Meistens blieb diese Hoffnung vergeblich. Auch dieser letzte Umzug im Juni war anstrengend und chaotisch und fand in Etappen (Möbel, Einrichtung, Küche) bis Oktober statt. Es gibt nun zwar immer noch Dinge zu tun oder umzugestalten, aber zumindest bin ich nun im Großen und Ganzen fertig. Im November begann dann der Weihnachtsstress und kurz vor Weihnachten starb ein Familienmitglied. Ich hätte vielleicht in all dieser Zeit schreiben können, aber irgendwie habe ich es doch nicht geschafft. Bis jetzt.

Neue Ziele und neue Strategien

Ich habe für 2022 tatsächlich nur zwei Ziele: Meine Finanzen in Ordnung zu bringen und wieder für diesen Blog zu schreiben. Regelmäßig. Auch wenn es vielleicht nur zwei Leute lesen. Denn auch wenn ich nun einen Job habe, in dem ich tatsächlich schreiben darf, ist es doch nicht das Gleiche. Geschichten für andere Menschen zu erzählen, fiel mir immer leichter, als meine eigenen zu verfassen. Das gleiche Problem habe ich, wenn es um Planung, Organisation oder Kreativität geht: Eigene Projekte versanden, professionelle kommen zum Abschluss. Daran will ich etwas ändern.

ADHS: Mehr als eine „Modeerscheinung“

Vor kurzem las ich auf Twitter einen Post, in dem ein Nutzer schrieb: „Irgendwie haben wir doch alle ein bisschen ADHS.“ Das mag aufgrund vieler Social-Media-Accounts (TikTok, Instagram, YouTube und so weiter), die sich mit ADHS beschäftigen, vielleicht so erscheinen, ist aber nicht wahr. Nur weil einige Menschen ADHS haben und darüber reden, betrifft es nicht automatisch auch alle Menschen. Und: Nur weil jede/r von mal etwas vergisst, hat sie/er kein ADHS. Denn ADHS ist deutlich komplexer als: „Ich kann mich schlecht konzentrieren / nicht still sitzen“ oder „ich vergesse gerne mal etwas“. Nur wie bei allen neurologischen und/oder psychischen Erkrankungen und/oder Störungen gilt auch hier: Wer davon nicht betroffen ist, versteht es auch nicht.

Leider nahm aber gerade im letzten Jahr die saloppe Verwendung von Begriffen wie Depression, Narzissmus, Psychose, Angststörung und so weiter, nochmal deutlich zu. Daran tragen auch unsere Medien eine starke Mitschuld, durch die fast schon inflationäre Verwendung der Bezeichnungen „psychisch gestört“ oder „psychisch krank“. Ein Autofahrer rast in Passanten? Psychisch gestört. Ein Mann greift ein Flüchtlingsheim an? Psychisch krank. Ein Querdenker bringt sich, seine Frau und seine Kinder um? Psychisch krank. Dieser Quatsch muss aufhören. Die Diagnose psychischer Erkrankungen sollte ein Psychiater durchführen und nicht der/die Teilzeit-Journalist:in aus der News-Abteilung, weil es schnelle Klicks bringt.

Sind wir alle psychisch krank?

Aber auch abseits der Medien finden sich immer wieder solche Verallgemeinerungen, darüber, dass „wir doch alle einen an der Klatsche haben“ oder „jede:r mal ein bisschen durchdreht“ und so weiter. Was die Leute damit allerdings meinen, sind Dinge wie: Betrunken den/die Ex-Partner:in anrufen, ordentlicher zu sein als Freunde oder Bekannte, unübliche Hobbies wie Fallschirmspringen oder vielleicht einen Humor zu haben, den andere nicht so verstehen. Menschen mit einer psychischen Störung/Erkrankung können alle diese Dinge auch tun oder haben – genauso wie jemand der an Krebs, einer Autoimmunerkrankung oder einem Herzfehler leidet. Nur höre ich irgendwie niemand sagen, dass wir doch „alle ein bisschen Krebs haben“ oder „jeder mal mit Schmerzen im Brustraum kämpft“.

Redebedarf bei psychische Erkrankungen

Was das alles jetzt damit zu tun hat, dass ich 2022 wieder mehr für diesen Blog schreiben will? Ich denke, es ist wichtig, darüber zu reden, wie sehr wir psychische Erkrankungen oder Störungen verharmlosen. Gerade jetzt. Ich denke außerdem, dass es nicht schadet, über bestimmte Erkrankungen oder Störungen aufzuklären. Gerade auf Twitter (so ziemlich das einzige soziale Netzwerk, das ich privat nutze) lese ich immer wieder Nutzer:innen, die unter einer psychischen Erkrankung oder Störung leiden und mit ähnlichen Problemen kämpfen wie ich es tue oder tat.

Ich selbst freue mich immer wieder, wenn ich Erfahrungsberichte von anderen Menschen lese – sei es Blogs, Videos oder auch nur kurze Instagram-Reels. Alleine durch letztere habe ich so viel über ADHS gelernt. Klar, diesen Blog lesen nicht viele Leute, aber vielleicht liest es zumindest eine:r gerade dann, wenn er/sie es braucht. Und selbst wenn nicht: Ich selbst brauche diese Aufarbeitung und Analyse meiner Symptome, Verhaltensmuster und Bewältigungsstrategien auch. Vielleicht schreibe ich also am Ende auch nur für mich. Aber ich schreibe und das werte ich für den Anfang schon mal als Gewinn.

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    Egal ob ADHS, Depression, Angststörung oder andere psychische Erkrankungen/Störungen: Das Verallgemeinern muss aufhören. Deshalb schreibe ich wieder.

2 Kommentare

  1. Ich poste hier auch kaum noch was und das ist für mich wirklich schade. Alles mal runter zu schreiben tut unheimlich gut, finde ich. Deswegen finde ich es top, dass du wieder anfangen willst 🙂
    Das psychische Erkrankung gerne mal verharmlost werden kann ich übrigens auch bestätigen.

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